./00009 RPG Forum/00003 Stories aus Regnum
Eine Geschichte von Simplex und meiner Wenigkeit. Wir haben diese Geschichte
bereits weiter geschrieben uns und entschlossen, jeden Montag einen neuen Teil
davon zu posten. Enjoy it!
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Ich wischte mir den Schweiss ab. Ich hatte genug wildes Getier und groteske
Wesen vernichtet und fühlte nun den mentalen Aufstieg meines inneren Levels zur
45. Doch ich fragte mich sogleich, wo könnte ich nun neue Wesen finden, die
meinem Niveau entsprachen? Es war so schwer in Alsius einen guten Platz zu
finden. Die Stimmen des Reiches und meines Clans rieten mir, ich solle am Strand
unterhalb unserer schönen Stadt Birka leveln, oder um den Kraterberg, wo
magische Golems und riesige Spinnen ihr unwesen treiben sollten. Ich testete
beide Orte ausführlich, fand jedoch kein befriedigendes Ergebnis. Die Wesen
waren nicht zahlreich genug, als das es sich lohnen würde gegen sie zu kämpfen.
Also setzte ich mich eine lange Zeit ins saftige Grün und entspannte mich nach
den Tagen endlosens Monster besiegen. War auch mal schön...
...mhhhhh Huch? Das Licht des Mondlichts begrüsste mich sanft durch mein
blinzeln. War es bereits Nacht geworden? Tatsächlich. Ich war wohl erschöpfter
als ich annahm. Ich räkelte mich und entspannte meine Glieder, ich fühlte mich
wie neu geboren. *Gähn* Es war Zeit sich wieder an die Arbeit zu machen. Ich
wollte nicht ewig der Spielball der anderen Reiche bleiben, also musste ich was
dafür tun. Aber wo nur sollte ich Kampferfahrungen sammeln? Kein Ort erschien
mir lukrativ genug. Ich hörte mal von einem Reichsgenossen, das es in den
syrtischen Gefilden ein Gebiet geben sollte, das auf Syrtisch nur "Waldstrand"
genannt wurde, welches genau passend für mein derzeitg mentales Level war. Aber
wie sollte ich da hin kommen? Dieser Strand am Wald lag tief im Süden des
syrtischen Reiches, hinter dicken und schönen Mauern versteckt.
Ich seufzte einmal tief. Es brachte nichts sich über unerreichbare Dinge den
Kopf zu zerbrechen. Gedankenverloren zog ich meine Karte vor und machte mir
bereits Gedanken, wo ich nun also hingehen könnte.
...Moment mal, Das stolze Fort Algaros und das prächtige Schloss Eferias, von
Syrten Hand erbaute Prunkbauten, waren in alsischer Hand. Das konnte nur
heissen, dass die Syrtische Abwehr gefallen war und man somit in ihr Reich
eindringen konnte. Es war mitten in der Nacht, die meisten würden wohl schlafen,
dachte ich bei mir, während ich bereits mein Pferd sattelte. "Ja, wagen wir es
mein Schöner!", sagte ich belustigt zu meinem Braunen. Ich ritt durch unser
möchtiges Reichstor dem Friedhof entgegen. Magier aus uralter Zeit hatten vor
Urzeiten einige wenige Teleportzonen erschaffen. Einer davon stand auf unserem
Friedhof direkt am Fluss, der gleichzeitig die Grenze zur syrtischen Hoheitszone
im umstrittenen Kamfgebiet darstellte.
Ich ritt hindurch, und nach einigen kurzen, schwindelerregenden Momenten später
stand ich im Sumpf von Ignis. Ich schüttelte mich kurz, und nahm dann zielsicher
den Ritt zur syrtischen Mauer auf, in Richtung Strand, dort wo unsere Boote vor
Anker lagen.
Der Fährmeister grüßte mich und lud mich ein an Bord zu kommen. Als wir uns dem
syrtischen Reichsstrand näherten, hatte ich mir bereits einen Plan zurecht
gelegt. Diese Reichswächter, dumme Milizionäre mit einer Grundausbildung an der
Waffe und keinerlei mentaler Stärke waren keine Gefahr. Ich musste einfach meine
Gedanken auf meine Verteidigung richten und dann in wilder Tobsucht den Strand
entlang Sprinten.
Doch als ich dort stand und los lief, waren keine Wächter da. Was für ein Glück
für mich! Doch zu früh gefreut... Ein syrtischer Bogenschütze kam hinter einem
Fels hervor und begann mich mit Pfeilen einzudecken. Ich lief um mein Leben,
doch es half nichts. Seine ungeheure Reichweite und ein auseinander reissender
Pfeil streckten mich schlussendlich nieder...
...wo .. Wo bin ich? Ich erblickte einer diesen sagenumwobenen Lebenssäulen vor
mir. "Wenn man in unserer Welt durch einen Feind das Leben verliert, meine liebe
Sangri" hörte ich die Stimme meiner Ausbilderin "ist man nicht tot. Man fällt in
einen kurzen Schlaf, und obgleich er nur einige Sekunden dauert, wird es Dir
vorkommen, wie ein halbes Menschenleben." Nun begriff ich so langsam, was sie
meinte. Aber was sagte sie noch? "Den wirklichen Tot, ohne das eine Wiederkehr
möglich ist, kannst Du nicht begreifen. Er ist auf einer höheren Ebene, als Dein
Vorstellungsvermögen reicht." Was sie damit wohlmeinte? Hm, egal!
Ich hatte nicht vor aufzugeben. Noch einmal ritt ich den Weg zu unseren
Landebooten und wurde rüber geleitet. Ich machte mich bereits auf einen
Pfeilhagel gefasst, doch der Strand war leer. Nirgends ein Feind, ich hatte
freie Bahn! Juhu! Sofort stieg ich auf mein treues pferd und reitete in die
syrtischen Wälder. Sie waren so grün wie unsere Tannen nie sein würden. Gefiel
mir nicht, es sah zu friedlich aus für solche Kriegszeiten.
Und dann hatte ich es endlich geschafft. Ich war an dem Strand am Waldrand
angekommen, und die Kreaturenvielfalt lies mein Gesicht erstrahlen. Sogleich
stieg ich ab, zog meine Waffe und verstärkte meine Angriffe, in dem ich in einen
Rausch der Wut verfiel. Ich schlug Golem um Golem, auch die Schildkröten konnten
mir nicht entkommen.
Nach einer Welle von Monstern fühlte ich mich erschöpft und wollte kurz rasten.
Da sah ich aus dem Augenwinkel eine Frau mit gezückter Waffe auf mich zurennen.
Jetzt ist alles aus, dachte ich. Ich werde mich nicht wehren und mich wie ein
gast im fremden Reich benehmen, sagte ich mir. Wenn sie mich unbedingt nach
Hause schicken will, soll sie das ruhig tun. Sie rannte, noch 5 Meter, ich sitze
friedlich. 4 Meter, 3 Meter! 2 Me... sie bleibt stehen? Sie steckt ihre Waffe
weg und schaut mich verwundert an. Auch für sie scheint es die erste Begegnung
mit einem Mensch aus einem anderen Reich zu sein. Vorsichtig richte ich mich
auf, wende mich ihr zu und verbeige mich höflich, aber vorsichtig mit einem
Knicks. Zu meiner Verwunderung verbeugt auch sie sich und winkt mir sogar mit
einem aufgeschlossenem Lächeln zu. Auch ich lächel nun und bin begeistert das
mich einer der gefürchteten Syrten, wie es unter den Raubeinen der alsischen
Elite immer heisst, nun in ihrem eigenen Reich duldet und Erfahrung an ihren
Monstern sammeln lässt (vielen Dank an dieser Stelle an "vayne").
Ich kämpfe also weiter, den Segen einer Syrtin im Kopf, töte ich Monster um
Monster grinsend und mit spielerischer Leichtigkeit, während ich gleichzeitig
merke wie sich meine Erfahrung ansammelt. Ich spühre, das ich schon bald bereit
für die nächste Stufe bin, da erblicke ich einen syrtischen Schützen, während er
gerade eine Schildkröte fällt. Jetzt ist alles aus, der wird Dich hier nicht
dulden, wenn Du ihm die Monster wegschnappst. Gleich bist Du tot meine Liebe...
Hastig stecke ich meine Waffe weg und verbeuge mich ehrerbietend vor dem
Bogenschützen. Zu verliere habe ich ja eh nichts. Doch, zu meiner Verwunderung,
er steigt tatsächlich drauf ein? Er verbeugt sich, winkt mit einem
ausdruckslosen, leichten Lächeln und wirft mir sogar eine Kusshand zu. Verlegen
und nicht im Stande zu reagieren, sammle ich einfach meine Kraft und laufe auf
das nächste Monster zu. Einfach nicht hingucken Sangri, dann sieht er dein rotes
gesicht auch nicht.
So vergeht eine weitere Zeitdes Erfahrung sammelns, mittlerweile Seite an Seite
mit einem Syrten, bis dann endlich das letzte Monster geschlagen ist. Ich spühre
die Lichtsäule, die mich umgibt und merke meinen geistigen Aufstieg. Der
Bogenschütze dreht den Kopf zu mir, während er noch schnell einem Golem den gar
ausmacht, dreht sich dann vollends zu mir um und klatscht Beifall. Anscheinend
beglückwünscht er mic zu meinem Aufstieg? Erstaunlich wie nett ein Feind sein
kann! Ich jubel, strecke meine Faust in den Himmel und der Schütze wirft mir
abermals einen Kuss zu. Diesmal erwidere ich ihn, zögerlich und mit roten
Bäckchen. Um dem weiteren zu entkommen gehe ich direkt auf den nächsten Golem
los, welches er zum Anslass sieht ebenfalls seinen Bogen gegen diese Wesen zu
heben.
Es vergeht noch einige Zeit, der Schütze und ich stehen nah beieinander und
besiegen die Tiere mit tödlicher Präzision, da richtet er den Bogen auf mich und
schickt mir einen Pfeil einer Schlange gleich entegegen. Gleich im Anschluss
spühre ich einen Schmerz in meinem Herzen, der scheinbar durch einen
geisterhaften Pfeil verursacht wurde. Ich stecke meine Waffe weg, schaue ihn
verdutzt an. Er schiesst noch einmal auf mich, und meine verdutzen Gesichtszüge
wandeln sich in Traurigkeit. So endet es also nun? Ein Angriff in den Rücken?
Einfach so ohne Anlass? Wenn ich hätte gehen sollen hätte er mir das doch
mitteilen können. Eine einzelne Träne rinnt über meine Wange, und das Gesicht
das ich kurz zuvor vor Scham nicht zeigen wollte, richte ich nun mit
geschlossenen Augen auf den Boden. Da zischt auch schon der letzte Pfeil heran.
Wie in Zeitlupe merke ich den Pfeil auf mich zukommen. Ich könnte ausweichen,
aber was würde es bringen... Ich akzeptiere mein Schicksal; der letze Pfeil, der
mich in die Knie gehen lässt, ragt aus meiner Brust. Ich kippe vornüber und
falle wieder in diesen tiefen Schlaf... Noch ein Auge halb geöffnet, denke ich
dennoch an die positive Erfahrung, die ich heute nicht nur durch die Wesen und
Tiere gemacht habe. Ein letztes Lächeln legt sich auf meine Lippen, während mich
die warme Dunkelheit in Empfang nimmt.......
"Sangri? - Auf ein Wort!" Es war Nacht in Montsognier, der Hauptstadt von
Alsius. Um diese Zeit waren nur wenige noch unterwegs. Ein Mönch in einem
schwarzen Kapuzenumhang, der vorne mit einer edlen Brosche zusammengehalten
wurde, legte der vorbeieilenden kleinen Barbarin die Hand auf die Schulter.
Abrupt blieb sie stehen. "Ich habe gehört, dass du in Syrtis gewesen bist?" -
"Wer bist du? - Und was geht's dich an?", antwortete sie schroff, ungehalten
über diese unwillkommene Verzögerung ihres Vorhabens. Der Mönch warf die Kapuze
zurück und lächelte. Überrascht sah sie ihn an. Seine Gesichtszüge erinnerten
sie an die Syrten, denen sie am Waldstrand in Syrtis begegnet war. "Nenn mich
einfach Simplex", sagte er. Ein Syrte! Hier in Montsognier! Und diese Augen! Sie
hatte das Gefühl, als schauten sie tief in sie hinein, bis auf den Grund ihrer
Seele. Verlegen blickte sie zur Seite, konnte aber nicht verhindern, dass das
Blut in ihre Wangen schoss. Simplex betrachtete sie eine Weile. Er war sich
jetzt nicht mehr so sicher, ob es richtig gewesen war, hierher zu kommen. Er
räusperte sich kurz. "Also, ein Freund von mir schickt mich. Du warst mit ihm am
Strand. Ich soll dir sagen, dass es ihm leid tut." Ach das! "Warum hat er es
getan? So ganz ohne Vorwarnung meine ich?" Sie blickte ihm wieder ins Gesicht.
"Er musste es tun. Man hat ihn beobachtet, wie er mit dir zusammen am Strand
war. Als er es merkte, blieb ihm nichts anderes übrig als dich zu töten. Er
musste beweisen, dass er nicht mit Alsius zusammenarbeitet." Eine Weile
schwiegen beide. Er betrachtete ihre immer noch geröteten Wangen. "Bitte nimm es
dir nicht so zu Herzen. Gerade deine Offenheit macht dich angreifbar. Du willst
geliebt werden, erfährst Zurückweisung und läufst Gefahr, dabei zu verbittern.
Mach das bitte nicht, liebe Sangri! Wer mit offenem Visier kämpft, so wie du,
der provoziert manch anderen unbewusst dazu, dir ein Bein stellen zu wollen,
dich vom graden Weg abzubringen, weil er deine Direktheit nicht vertragen kann."
Er schwieg einen Moment. "Was will ich dir eigentlich sagen? Wenn ich in deine
Seele schaue, auf dein innerstes Wesen, sehe ich da ein helles klares Licht.
Lass es bitte weiter scheinen und versteck es nicht!"
Der weise Simplex schlug die Kapuze wieder über den Kopf. Er verschwand im
Gewirr der Gassen der alten Hauptstadt des Reiches, Sangri konnte ihm nicht
folgen. Verdutzt blieb sie stehen. Wollte sie ihm überhaupt folgen? - Nein! Sie
dachte kurz über das nach was er zu ihr gesagt hatte. "offenes Visier"
"innerstes Wesen" "helles Licht" - das alles ergab keinen Sinn. Sie war jetzt im
50. Level und sie war bereit, weiter zu gehen als jemals zuvor, fühlte Kräfte in
sich, von denen sie vorher noch nicht einmal geahnt hatte, dass sie sie besaß.
Sie spürte das Bedürfnis, ihrer Ausbilderin einen Besuch abzustatten; diese
hatte ihr bisher noch immer einen guten Rat geben können. Sie wusste, dass sie
bei ihr jederzeit willkommen sein würde, selbst jetzt, in der tiefen Nacht, und
so machte sie sich wieder auf den Weg. Währenddessen trat eine dunkle Gestalt,
dem Anschein nach ein Mönch mit einer schwarzen Kapuze über dem Kopf, aus dem
Schatten eines Toreinganges und blickte ihr nach. Ein feines Lächeln umspielte
seine Mundwinkel. Er nickte einmal kurz: Ja, sie würde ihren Weg gehen. Für ihn
war es nun auch an der Zeit. Er durfte hier nicht entdeckt werden, im fremden
Reich, denn er würde als Feind sofort hingerichtet werden. Mit einem Ruck warf
er den schwarzen Umhang ab. Für einen kurzen Moment wurde ein syrtischer Jäger
sichtbar, doch schon begann er mit der Umgebung zu verschmelzen und sich
aufzulösen. Einen Augenblick später war nichts mehr von ihm zu sehen; die Gassen
von Montsognier waren dunkel und leer.
Noch eine kurze Weile stand Sangri am Eingangstor von Mont. Sie hielt ihren
Speer aufrecht und schaute nach Osten. Sie fixierte keinen speziellen Punkt,
vielmehr blickte sie in die endlose Weite des Nichts und des Himmels. "Frei wie
ein Vogel" schoss es ihr durch den Kopf. Genau so musste sich Simplex fühlen,
wenn er all die Gefahren eines fremden Reiches auf sich nahm, nur um einer
kleinen Barbarin zurück auf ihren besonnenen Pfad zu helfen.
Nun setzte sie sich hin, legte den Speer neben sich und schloss die Augen. Sie
wollte schlafen, tief schlafen und über das Geschehene nachdenken.....
...promt öffnete sie die Augen. Sie war nicht mehr im Körper der muskulösen
Sangri, und das war auch kein Speer, den sie da in der Hand hielt. Sie blickte
auf den Langbogen in ihrer Hand, ein äusserst schlicht gehaltenes Modell mit 2
kurzen, kleinen Eisenstreben an den Enden verstärkt, um mehr Spannung aufbauen
zu können. Hinter ihr blickte sie überraschend ihr schneeweisser Bär ins
Gesicht. Seine roten Augen funkelten vor Freude, als er sein Gesicht nach langer
Zeit an ihrem Bauch reiben konnte, um ihr einige Streicheleinheiten zu
entlocken. Sie wusste nun, wer sie war.
Sie steckte nun in dem zierlichen Körper einer Frau, der von anderen nur
"Whiskey" genannt wurde. Sie war noch nicht sehr stark, konnte sie gerade mal
den Untieren auf dem Kheled Hang die Stirn bieten. Dennoch wurden den hiesigen
Jägern früh die mentalen Fähigkeiten der Aufklärung und Tarnung beigebracht.
Es war noch nicht viel Zeit vergangen, seit sie den Körper der kräftigen
Barbarin verlassen hatte. Demnach musste der weise Jägersmann noch in der Nähe
sein. Mag sein das er Meister im Verwischen seiner Spuren war und damit die
dummen Barbaren oder arroganten Magier abhängen konnte, aber einem Jäger machte
niemand etwas vor. Da! 200 Meter, Richtung Tor die Fußabdrücke eines
leichtfüssigen Bogenschützen, eindeutig ein Jäger, denn die kriegstreibenden
Schützen würden niemals darauf achten, ihre Spuren zu verwischen.
Im Körper meiner Jägerin nahm ich die Verfolgung auf. Nicht etwa, um ihn in den
rücken zu fallen. Eher wollte ich ihn beobachte, sehen was er noch tun wird. Da,
frischere Spuren, noch maximal 100 Meter. Denk dran Whiskey, nutze Deckungen, um
nicht selber aufgespürt zu werden.
Die Verfolgung ging weiter, bis wir an der grossen alsischen Mauer angelangt
waren. Ich war gespannt was er nun tun würde. Mit meiner Umgebung verschmolzen,
unsichtbar für jegliche Augen, spähte ich die Umgebung aus. Da war er! Leicht
gebückt lief er die Treppe am Tor hoch, unsichtbar für die plumpen Torwächter.
Aber dem geübten Auge eines Jägers, und sei er noch so jung, entgeht niemand.
Ich rannte ebenfalls hinterher und erhoffte mir, ihn oben bei unseren
Bogenschützen noch einmal sprechen zu können. Doch ich hoffte vergebens. Kurzer
Hand sprang er auf die dünne Mauer, und schliesslich ganz hinunter. So bewegte
er sich immer weiter in die Richtung der schwarzen Nacht in die Kriegszone.
Vermutlich nach Hause, dachte ich. Ich winkte ihm, meine Tarnung ablegend, noch
einmal hinterher, wusste aber nicht, ob er es noch sah. "Bis bald, Du weiser
Simplex" dachte ich schmunzelnd. "Wir werden uns wieder sehen, und ich bin mir
sicher, das zwischen uns kein Blut fliessen wird, zumindest von meiner Seite
nicht."
"Sangri?" Keine Antwort. Hier war der Ort den er in seiner Botschaft an sie
angegeben hatte. "Sangri! Bist du da?" Er lauschte, er hoffte auf eine Antwort -
nichts. Warum kam sie nicht? Hatte er etwas Falsches zu ihr gesagt, hatte er sie
verärgert? Er grübelte darüber nach. Er hatte einen Boten geschickt mit der
Nachricht, dass sie sich unbedingt um ein Uhr Nachts beim alten Friedhof in der
Nähe des Teleports treffen müssten. Es war riskant, denn sie war eine Barbarin
aus Alsius und er ein syrtischer Jäger; er wusste, dass sie aufbrausend sein
konnte, aber er hatte sie nun mal in sein Herz geschlossen und deshalb um dieses
Treffen gebeten, weil er ihr etwas Wichtiges mitzuteilen habe, wie er in seiner
Botschaft an sie geheimnisvoll geschrieben hatte. Und jetzt kam sie nicht! Schon
über eine halbe Stunde hatte er hier gewartet. War ihr etwas geschehen?
"Sangri!" Er war der Verzweiflung nahe. Sollte ihr wegen ihm etwas zugestoßen
sein, er würde es sich niemals verzeihen können. Er setzte sich mutlos auf einen
Stein. "Ach Sangri" sagte er nochmals leise vor sich hin. Er hatte gehofft, dass
dieses Wichtige, das er angekündigt hatte, sie neugierig machen würde. Und es
war ja auch durchaus notwendig, dass sie darüber bescheid wusste, denn sonst
konnte es nämlich trotz allem tatsächlich doch geschehen, dass - was war das?
Hatte da nicht gerade ein Zweig im Unterholz geknackt? Das musste sie sein!
Erwartungsvoll blickte er hinüber zum Wald. Eine alsische Barbarin trat zwischen
den Bäumen hervor, ihren Speer kampfbereit in der rechten Hand. Endlich!
Erleichtert lief er auf sie zu, breitet die Arme aus - doch sie erkannte ihn
nicht! Sie deutete seine hastigen Bewegungen als Angriff, hob reflexartig den
Speer -- und stieß zu, mitten in sein Herz. Er sank zu Boden. "Sangri, bitte..."
Er konnte nur noch schwer sprechen. Blut quoll aus seiner Wunde, er hustete,
spuckte Blut. "Sangri, ich bin's doch..." Es war zu spät. Mit letzter Kraft
versuchte er ihr noch etwas mitzuteilen: "Sangri ... mein wahrer Name ist ...
Shane ... Shane Dark ... " Es war das letzte was er noch sagen konnte bevor er
starb.
Da Sangri im Urlaub ist, darf ich heute Sangris Text posten.
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Sie näherte sich vorsichtig dem auf dem Boden liegenden Feind, den Speer
stoßbereit vor sich haltend. Ein schneller spähender Blick in die Dunkelheit, um
sich zu vergewissern, dass da nicht noch andere Höllenbrut wartete. So einfach
konnte man eine Sangri nicht überlisten, dachte sie grimmig.
Als sie neben der Leiche kniete, die kurz vor ihrem Tod noch irgendwas vor sich
hin gemurmelt hatte, sah sie etwas, das ihr den Atem stocken ließ: diese
Brosche, sie hatte sie schon einmal gesehen! Warmen Herzens erinnerte sie sich
an den Abend vor vier Tagen, als der geheimnisvolle Fremde alle Gefahren auf
sich genommen hatte, um ihr ein paar Worte der Wegfindung mitzuteilen. Obschon
er von einem robusten Umhang umhüllt gewesen war, konnte sie dennoch eines klar
erkennen: die Brosche.
Sangri begann augenblicklich über dieses Missverständnis zu weinen. Viele Tränen
verließen ihre Augen, denn sie erkannte nun, welch grausigen Fehler sie gemacht
hatte. Was sie augenscheinlich als Angriffshaltung erkannt hatte, war nichts
weiter als eine freundschaftliche Umarmung gewesen.
Nach einigen befreienden Minuten des Trauerns besann sie sich seiner Worte, die
sie für einen feindlichen Fluch gehalten hatte. Sie hatte offen gestanden nichts
davon verstanden. Die Worte "Shane Dark" hallten ihr im Kopf. Aus irgendeinem
unerfindlichen Grund pochten diese zwei Worte immer wieder in ihrem Kopf...
Ihr ausgeprägtes Gefühl für Ehre konnte das Ganze nicht so auf sich sitzen
lassen. Sie wusste was mit den Seelen hier Verstorbener passierte: man fällt in
diesen Schlaf, und wacht kurz darauf an einer dieser sagenumwobenen Lebenssäulen
auf. Sangri wusste, dass es in Syrtis ebefalls eine solche gab, und genau das
würde ihr Ziel sein!
Vom Friedhof aus wandte sie sich südwestlich, der Brücke entgegen, die zum
syrtischen Fort Algaros führte. Doch dieses war nicht ihr Ziel. Sie erklomm den
Berg, folgte dem Weg südöstlich, kam dabei an einem wunderschönen Pavillon
vorbei, und fand sich schlussendlich auf einer großen Wiese voller Zyklopen und
Löwen wieder. Tief geduckt und den Speer parallel seitlich zu ihr tragend
schlich sich Sangri weiter der Lebenssäule der Syrten entgegen. Sie hoffte, ihn
dort zu finden, vielleicht wartete er sogar auf sie?
Da vorn, die Leuchtkugel der Säule war bereits zu sehen. "Nimm die Schmach von
mi..." Wie ein Kirchenschlag in der Stille der Nacht überkam sie ein Gefühl des
Schwindels, als sie von einer hinterhältigen Attacke umgehauen wurde. Schon die
endlos vielen Pfeile erwartend, schloss ich meine Augen und stemmte mich einfach
wieder hoch, gefasst auf den sicheren Tod. Sie lag auf dem kalten Stein direkt
oberhalb der syrtischen Lebenssäule, und hätte Simplex fast erkennen können...
"Sangri?" Es war beinahe ein Flüstern, so dass ich mich umdrehen musste um zu
schauen, warum ich noch nicht tot war. Ein schlanker, aber keineswegs
schmächtiger junger Bogenschütze stand ein paar Meter von mir entfernt und
schaute mich verwundert an, während er auf mich zeigte und noch einmal, diesmal
mit normaler Lautstärke, sprach: "Sangri, bist Du das nicht?" Ich tat mich noch
etwas schwer mit dem südländischen Akzent der Waldbewohner, aber Simplex bemühte
sich sichtlich, zu sprechen, dass ich ihn verstand.
"Simplex? Shane Dark? So darf ich Dich nennen, richtig? Wie hast Du mich in der
Dunkelheit überhaupt erkannt?" Er begann leicht zu lächeln, schmunzelte sogar
ein wenig.
"Wie Du mich nennen kannst sage ich Dir später. Erkannt habe ich Dich an deinen
roten, kurzen Haaren und dem blauen Speer, den heutzutage nicht mehr viele
tragen. Das macht Dich... sagen wir mal, individuell." Wir lachten beide kurz.
"Und wie hast Du mich nun auf einmal erkannt?"
"Simplex, es..." Da flossen sie wieder, die Tränen der Reue. Ich sank auf die
Knie, hilflos irgendwas von mir zu geben, und hielt mir mit meinen Händen das
Gesicht. Ich spürte eine Hand auf meinem Rücken, ich erschrak und schaute
Simplex auf einmal ins Gesicht. Unheimlich, diese Jäger. Ich hatte nicht einen
einzigen Schritt von ihm gehört.
"Es ist okay Sangri. Du bist noch neu in unserer Welt, Du bist misstrauisch und
hast Angst, verraten zu werden. Ich mache Dir keine Vorwürfe."
Aus seinem Mund klang es so logisch, als hätte ich keinen Fehler gemacht. Das
mochte in der Praxis vielleicht sogar stimmen, aber mein Kopf sagte mir was
völlig anderes.
Ich ließ mir von ihm hochhelfen, und er fragte erneut: "Und nun sag schon, wie
hast Du mich diesmal erkannt?"
"Deine Brosche... Sie ist so einmalig wie das Glitzern des Mondlichts in einer
klaren Nacht. So etwas sieht man kaum ein zweites Mal." Wieder schmunzelte er
schelmisch.
Abrupt löste ich mich von ihm, stellte mich in voller Größe vor ihm auf und
schaute ihm fest in sein verdutztes Gesicht.
"Tu es. Gib mir einen Pfeil, direkt in mein Herz. Es ist Dein Recht das zu tun.
Meine Tat kann nur mit einer gleichwertigen gesühnt werden. Bitte tu es, sonst
werde ich keinen Abend mehr froh sein." Ich schloss langsam meine Augen, und
auch wenn ich wusste das es richtig war, hatte ich Angst vor dem Schmerz, der
Dunkelheit, dem Gefühl des Sterbens.
"Das ist doch jetzt wohl nicht Dein Ernst!" rief er lauter, als er wollte. "Du
glaubst doch nicht ernsthaft, das ich Dir einfach einen Pfeil in die Brust
schieße?"
"Ich habe es verdient. Tu es bitte, damit wir wieder quitt sind. Meine Tat wird
sonst auf ewig wie eine schwarze Regenwolke über uns hängen."
"Das ist doch Blödsinn, Du kannst nicht von mir erwarten Dir einen Pfeil zu
verpassen. Ich mag Dich Sangri, sonst hätte ich all das Vergangene nicht getan.
Und genau darum wird nie auch nur einer der Pfeile aus meinem Köcher in Deinen
Körper treffen."
"Du... Du verstehst das nicht. Ich fühle mich so schuldig" wieder begannen mir
die Tränen über die Wangen zu rinnen, und ich wandte mich von ihm ab. "Tu es
Simplex. Du, oder jemand anderes wird es tun..." flüsterte ich, gerade so dass
er es verstehen musste.
"Du wirst doch nicht... Halt, Sangri! STOPP!"
Er eilte zu mir, als ich mich von dem Felsvorsprung fallen ließ. Die Wächter an
ihrer Lebensquelle würden mich vernichten. Sie kannten weder Gefühle noch Moral.
Sie feuerten ohne Gnade auf alles, was nicht zu ihrem Reich gehörte. Simplex
schaffte es meine Hand zu fassen, doch statt mich festhalten zu können, fielen
wir beide runter. Kurz lagen wir da im Dreck, dicht beieinander, und irgendwie
wurde mir ganz anders. Ein Kribbeln im Bauch, als ich in sein Gesicht schaute,
welches keine zwanzig Zentimeter von meinem entfernt lag. Verlegen schloss ich
meine Augen und erhob mich langsam...
"NEEIN! SANGRI!" Simplex stellte sich schützend vor mich und hielt mich fest.
Vier Pfeile ragten aus meiner Brust, ich hatte gar nicht gemerkt, dass überhaupt
geschossen wurde, aber diese Wächter waren äußerst flink bei sowas. Ich spürte
keinen Schmerz, ich sah lediglich wie Simplex mich anschaute und zu mir sprach,
aber ich konnte ihn nicht hören. Ich wurde nur noch von ihm halbwegs aufrecht
gehalten, aber ich wusste, dass ich gleich wieder schlafen würde. Ich hob meine
Hand und legte sie ihm auf die Wange, zog sein Gesicht so zu meinem und gab ihm
einen Kuss auf die Wange. Er kniff die Augen zusammen, wollte seine Tränen
unterbinden, das sah man ihm deutlich an. "Er hat wunderschöne Augen, besonders,
wenn sie so glitzern..." Mit diesem Gedanken schloss ich meine Augen und sollte
bald darauf andernorts wieder aufwachen...
Er stand auf Wache im Algaros Fort. Es war ein ruhiger, warmer, sonniger
Sommertag. Schläfrig döste er auf seinem Beobachtungposten über dem Tor. Er
ertappte sich dabei, wie seine Gedanken immer wieder abschweiften, weil die
Gesichtszüge einer jungen alsischen Barbarin vor seinem geistigen Auge
erschienen. Sangri. Sollte er etwa mehr für sie empfinden als bloße Zuneigung?
Er warf diesen Gedanken weit von sich. Natürlich nicht! Sie war zwar recht nett,
das schon, aber sie war eben eine Barbarin und sie kam aus einem feindlichen
Reich, sie war grob und ungehobelt, wie es Barbaren nun mal sind, da sind sie
doch alle gleich! - und hatte sehr sanfte, dunkelbraune Augen, kurze rote Haare,
und manchmal sogar rote Bäckchen, wenn sie verlegen wurde, ja, das hatte sie,
dann wollte man sie am liebsten in den Arm nehmen und nicht mehr loslassen...
versonnen drehte er eine rote Blume in den Händen und sah dabei wieder ihr rotes
Haar vor sich, das dem seinen so sehr ähnelte. Und dann die Grübchen wenn sie
lächelte, ihre warmen Lippen... Immer noch fühlte er den Kuss auf seiner Wange,
den sie ihm kurz vor ihrem Todesschlaf gegeben hatte, fühlte ihren warmen Atem
auf seiner Haut, als sie ihm ganz nah gewesen war, spürte das Bedürfnis, sie
nocheinmal sehen zu wollen. "Tu es!" hatte sie zu ihm gesagt und sich vor ihn
hingestellt. "Gib mir einen Pfeil, direkt in mein Herz. Es ist Dein Recht das zu
tun. Meine Tat kann nur mit einer gleichwertigen gesühnt werden. Bitte tu es,
sonst werde ich keinen Abend mehr froh sein... Ich habe es verdient. Tu es
bitte, damit wir wieder quitt sind."
Ja! Er wollte es tun! Genau so wie sie es von ihm verlangt hatte! Keinen Pfeil
ins Herz, das nicht; aber er wollte ihr ebenfalls einen Kuss auf die Wange
geben, damit sie wieder quitt sein würden. Er würde ganz dicht vor ihr stehen
und würde ihre roten Bäckchen sehen, würde ihr verlegen zur Seite gewandtes
wunderschönes Gesicht zu sich heranziehen und ihr dann einen Kuss auf die Wange
- nein, noch besser! Auf den Mund! Jawohl! Auf den Mund geben, damit das auf
diese Weise ein für alle Mal zwischen ihnen geklärt sein würde und er endlich
Ruhe hätte und nicht mehr immerzu über sie nachdenken müsste. So würde er es
machen! Er sprang sofort auf, lief die Treppe hinunter und durchs Tor hinaus
Richtung Brücke. Erst nachdem er etwa hundert Meter weit gelaufen war fiel ihm
auf, dass er sein Pferd, seinen Bogen und seine Pfeile im Fort zurückgelassen
hatte. Abrupt blieb er stehen. Was hatte diese Barbarin mit ihm gemacht? Er war
ja völlig kopflos geworden! Und wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf ihn die
Erkenntnis der ernüchternden Wahrheit.
Das, was er sich nicht hatte eingestehen wollen, war tatsächlich geschehen: er
hatte sich verliebt; verliebt in eine alsische Barbarin. - Verdammt! Die Wucht
dieser Erkenntnis traf ihn so sehr, dass er sich erst mal ins Gras setzten
musste. Das durfte nicht sein! Das konnte nicht sein! Das hatte es noch nie
gegeben! Ein Wiedersehen würde dann ja alles nur noch viel schlimmer machen! Das
wurde ihm jetzt immer deutlicher bewusst. Hastig sprang er auf, lief zurück ins
Fort, nahm seinen Bogen und die Pfeile, schwang sich auf sein treues Ross und
ritt in gestrecktem Galopp Richtung Syrtis. Er musste Abstand gewinnen. Sein
Entschluss stand unverrückbar fest. Er würde dorthin gehen, wo kein
Reichsfremder jemals hinkommen konnte. Er würde auf die Initiationsinsel gehen.
Dort würde er in der Einsamkeit des tiefen Waldes meditieren und abwarten,
solange, bis er wieder Herr über sich und seine Gefühle sein würde. Danach würde
er im fernen Ignis die schwierigsten Aufträge übernehmen, weit weg von Alsius
und weit weg von ihr, nur um ihr nicht mehr begegnen zu müssen, ihr, der
einzigen, derjenigen, der es gelungen war, auf so wundersame Weise sein Herz zu
berühren: Sangri.
The story continues... Solange ich noch Texte von Sangri habe, poste ich mal
weiter, heute also wieder Sangris Text.
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"Wo er wohl gerade steckt?" kam es ihr in den Sinn. Die junge, ungestüme
Barbarin saß locker auf dem Beobachtungturm am alsischen Reichstor. Das Kinn auf
die Hand gestützt schaute sie verträumt in den Himmel.
Eine gute Woche war es nun her, seit sie sich auf der Syrtenseite getroffen
hatten. Seitdem kam weder ein Bote, noch er selbst um ihr eine Nachricht, ein
paar Worte oder von ihr aus sogar einen Angriff zu übermitteln, Hautpsache
überhaupt ein Lebenszeichen! Sie machte sich Vorwürfe. "War es richtig ihm
diesen Kuss, eher dieses 'Küsschen', zu geben? Ist das der Grund warum ich
nichts mehr von ihm sehe? Verabscheut er mich vielleicht sogar deshalb? Das wäre
schrecklich..." In den vergangenen Tagen hatte sie sich mehreren Aufrufen zu
Kämpfen auf syrtischer Kriegszonen-Seite angeschlossen, in der Hoffnung das
vertraute Gesicht zu erblicken. Aber nichts war. Sie wurde dem saftigen Grün
überdrüssig, konnte nicht verstehen wie man die ganze Zeit dieses Grasgrün um
sich haben konnte.
"Es gibt doch dieses Wüstenreich. Ich bin bereits einmal da durch gereist, als
mir einer der hiesigen Wächter einen Auftrag gab, die Kriegszone zu erkunden und
nach Feindbewegungen Ausschau zu halten. Ich muss mich ablenken. Je früher ich
mich mit der Tatsache, dass er mir aus dem Weg geht und den damit verbundenen
Gründen abfinde, umso schneller wäre ich wieder für das Wesentliche offen."
Sie nahm ihren Speer, lief die Treppen herunter und ging durch das robuste
Reichstor. Fast augenblicklich überkam sie wieder diese Unsicherheit, die sie
noch immer spürte, wenn sie die umkämpfte Kriegszone betrat. Sie stieg auf ihren
Braunen und ritt hastig zur Lebenssäule des alsischen Volkes in der Kriegszone.
Dort angekommen, fragte sie einmal in die Runde: "Ich bin auf dem Weg nach
Ignis, um Feinde unseres Volkes zu bekämpfen. Wenn jemand mit mir kommen möchte,
möge er sich bitte bei mir melden." Sie wartete einige Minuten, doch niemand
reagierte auf sie. Entäuscht und mit dem Gefühl, allein zu sein, ritt sie nun
zur nordöstlichen Brücke der Festung Menirah entgegen. Kurz vor deren Mauern
stieg sie vom Pferd und gab ihm einen Klapps, so dass es zurück in die sichere
Zone ritt. Außer den plumpen Wächtern sah sie weder Freund noch Feind, darum
wandte sie sich gen Südwest, vielleicht kamen ja Feinde aus dem Reichstor, die
sie abpassen konnte.
Auf ihrem Weg dorthin sah sie ein riesiges Skelett, vermutlich das eines
Drachen. Vor seiner schieren Größe und Beachtlichkeit vergaß sie ihr
eigentliches Ziel und ging zu dem Haufen von erstaunlicher Präzision liegenden
Knochen. "Das würde ihm bestimmt gef... NEIN! Nicht an ihn denken. Du bist hier,
um ihn zu vergessen!" ermahnte sie sich still.
Kurze Zeit später, während sie noch die Knochen bewunderte, hörte sie leichten
Kampflärm. Blitzartig versteckte sie sich hinter dem riesigen Knochenschädel des
Drachen, und beobachtete das Geschehen. Ein Bogenschütze kam in ihre Richtung
gelaufen, gefolgt von 2 Barbaren, die ihm offensichtlich ans Leder wollten.
Diese Krieger, Dunkelelfen soweit sie erkennen konnte, sahen gefährlich aus,
doch ihre Waffen wirkten weitaus einschüchternder. Sie hielt sich lieber raus
und wartete bis die 3 außer Sichtweite waren. Was sich als schwierig erweisen
könnte, da sie genau auf das Skelett zuhielten.
"Oh nein, bitte lass das nicht wahr sein!" Nun erkannte sie den Bogenschützen,
es war niemand geringerer als der werte Simplex. In seinen Augen lag grimmige
Entschlossenheit, seine Brauen waren zu einem ernsten V zusammengezogen, und
seine Miene ließ keine Gnade erkennen. Doch wieso lief er weg? Sie verstand, als
er sich kurz umdrehte, 2 Pfeile auf die Verfolger fliegen ließ und sofort weiter
lief. Er hielt sie auf Abstand, schoss Pfeile mit tödlicher Präzision auf die
beiden und ließ nicht zu, das sie ihn zerfetzen konnten. Doch sie kamen immer
näher, schlugen abwechselnd ein hörnerndes Signal, und liefen dadurch schneller
als er.
Ehe sie sich versah, sprang er am Schädel, ihrem Versteck, vorbei. Auf einmal
war alles wie in Zeitlupe. Gedanken überschlugen sich, sie wusste nicht was sie
tun sollte. Einschreiten, Simplex helfen und sich ihm stellen, vielleicht sogar
sterben? Oder im Versteck bleiben, ihm aus dem Weg gehen und einfach abwarten
bis sie wieder allein war?
"Allein!" Dieses Wort bereitete ihr Kummer. Sie entschloss sich, ihm zu helfen.
Doch sie wusste, das sie dazu Köpfchen brauchen würde. Sie war zu schwach, um
auch nur einen besiegen zu können. Sie musste sich, auch ohne Absprache, auf
Simplex abstimmen.
Der Jägersmann lief weiter, die Dunkelelfen kamen meiner Position näher. Noch
drei Meter, zwei, JETZT!
Heldenhaft sprang sie aus ihrem Versteck und brüllte die beiden aus tiefster
Seele an, was sie betäuben ließ. Mit seinen katzenartigen Reflexen begriff der
Jäger sofort was geschehen war, wenngleich man ihm die Überraschung ansah.
Dennoch schien er der Hilfe nicht abgeneigt. Sie begann ihre mentale Stärke zu
sammeln und auf ihren Körper zu übertragen. Simplex schoss einen der Dunkelelfen
an, was ihn aus seiner Betäubung löste. Sofort war die kleine Barbarin an ihn
heran, trat ihn, dass er auf den Boden fiel und deckte ihn mit Schlägen und
Stichen ihres Speeres ein. Simplex indessen schien ebenfalls zu erstarken. Seine
Hände begannen zu leuchten, und er versprühte eine Kälte, als wäre sein Blut in
den Adern gefroren. Es dauerte nur Sekunden, da lag der erste Dunkelelf blutend
im Sand und rührte sich nicht mehr. Sangris unfreiwilliger Gefährte setzte den
Fokus auf den anderen Dunkelelfen, der sich mittlerweile aus seiner Zerstreuung
gelöst hatte, während sie noch das blutige Ausmaß der Zusammenarbeit mit diesem
mächtigen Jäger betrachtete. "Das ist also Krieg..." dachte sie bekümmert.
Dieser kurze Moment der Unachtsamkeit ließ Simplex in Bedrängnis geraten.
Aufgrund meines Einschreitens war er wieder näher gekommen, was ihn verwundbar
für die grobschlächtigen Nahkämpfer machte. Der Dunkelelf hatte ihn ebenfalls
getreten und war gerade auf dem Höhepunkt seiner Stärke. Die tapfere Heldin
begann ein heulendes Geschrei, welches den Ignesen zusammenzucken liess. Er
schaute kurz zu ihr und war nicht im Stande, der Kleinen auch nur eine seiner
Fähigkeiten entgegen zu schleudern. Diesen kurzen Moment nutzte der
Bogenschütze, um wieder aufzustehen und den Feind mit einem Hinterhalt nun
ebenfalls auf den Boden zu schicken. Drei Schritte, dann stand ich neben ihm,
ließ meiner kontrollierten Wut freien Lauf, was auch meine Hände kurz
aufleuchten ließ. Zwei Speertreffer und vier Pfeile später lag nun auch dieser
Barbar tot und blutend im Sand.
Keuchend sah Simplex auf die Leiche, sichtlich erschöpft vermochte er nicht
gerade viel zu tun. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, setzte ein
dankendes Lächeln auf die Lippen und streckte die Hand zum Dank nach mir aus...
Der Moment, als sich unsere Augen trafen, ließ unsere Umgebung vibrieren. Seine
Augen weiteten sich, und seine Mundwinkel fielen tief. Anscheinend hatte er die
ganze Zeit nicht mitbekommen, wer da sein überraschender Helfer gewesen war.
Diese plötzliche Erkenntnis ließ ihn einen Schritt zurück machen. "Simplex,
grüße Dich... Wir haben uns lange nicht gesehen. Was..." weiter konnte das
verlegene Mädchen nicht sprechen. Ihr Schwarm hatte zitternd einen Pfeil auf den
Bogen gelegt und zielte auf sie. Als er schoss, flog dieser knapp an ihr vorbei
und ließ sie kurz ablenken. Diese paar Sekunden nutzte er, um vor ihren Augen zu
verschwinden. Als die Benommenheit von ihr abließ, wurde sie traurig. Er war
weg. Ohne ein Zeichen, einfach nur verschwunden. Dieses Gesicht würde sie so
bald nicht vergessen. Sie verzog sich wieder in den Schädel und begann
bitterlich zu weinen. Kein Feind kam vorbei, um sie zu töten. Kein Freund kam
vorbei, um sie zu trösten. Sie war allein. In den ersten Minuten war es ihr fast
so, als säße er noch versteckt neben ihr, beobachtend und nicht im Stande, die
Hand nach ihr auszustrecken. Doch das Gefühl wurde immer schwächer, und
irgendwann weinte sie sich in diesem Drachenschädel in den Schlaf, ungesehen und
versteckt vor allen Augen...
Zunächst war er panisch davongelaufen, nachdem er sie mit einem Ablenkpfeil
betäubt und sich dann mit der Tarnung unsichtbar gemacht hatte. Nicht schon
wieder! Nur keine neuen Sentimentalitäten! Darüber war er doch gerade erst
mühsam hinweggekommen! Aber sein Ehrgefühl zwang ihn, zu ihr zurückzukehren.
Schließlich hatte sie ihm gerade das Leben gerettet; er konnte sie jetzt nicht
einfach allein in dieser feindlichen Umgebung zurücklassen. So fand er sie
zusammengekauert in diesem riesigen Drachenschädel am Boden liegend, manchmal
schluchzte sie, aber sie schlief jetzt. Wie tapfer sie gewesen war! Wie stark!
Minutenlang vermochte er nichts anderes zu tun als sie einfach nur anzuschauen.
Wie schön sie war! Sie erschien ihm jetzt so unendlich zart, so verletzlich, so
überaus schutzbedürftig. Die Spuren der Tränen, die über ihre Wangen gerollt
waren, und die noch schwach zu sehen waren, wollten ihm schier das Herz
zerreißen. Vorsichtig kniete er neben ihr nieder und strich ihr sanft eine
heruntergefallene Strähne des roten Haares aus der Stirn. Diese neuerliche
unerwartete Begegnung hatte all seine vorangegangenen Bemühungen, sie zu
vergessen, zunichte gemacht. Schlimmer noch: er fühlte sich mehr denn je zu ihr
hingezogen, war kaum in der Lage, den Blick von ihr abzuwenden. Er konnte nicht
anders, er musste sich zu ihr hinabbeugen und diese Tränen küssen.
Eine größere Gruppe von Reitern war in der Ferne zu hören. Und plötzlich wusste
er genau, was er jetzt zu tun hatte. Er nahm die kunstvoll verabeitete Brosche,
das Wertvollste was er in dieser Welt besaß und die in Wirklichkeit machtvolle
magische Kräfte in sich barg, von seinem Mantel ab, legte sie vorsichtig in ihre
Hand und schloss behutsam ihre Finger darum. Einmal hatte sie ihn an dieser
Brosche erkannt; mochte sie ihr jetzt als Talisman dienen - er würde die Brosche
nicht mehr brauchen. Rasch stand er auf. Aller Zweifel war von ihm gewichen,
alles Zögern, alle Unsicherheit. Er vergewisserte sich, dass die herannahende
Kavalkade eine Gruppe alsischer Kämpfer war, trat dann aus dem Schutz des
Drachenschädels heraus, so dass sie auf ihn aufmerksam werden mussten, legte
einen Pfeil auf und griff den ersten der Reiter an. Es sollte sein letzter Kampf
für sein geliebtes Syrtis sein; aber er würde keinen dieser alsischen Krieger
dabei töten...
Zurück in Syrtis nahm er Abschied von seinen engsten Freunden, verschenkte
alles, was er an Rüstung, Waffen, Pfeilen und sonstigen Ausrüstungsgegenständen
im Laufe seines Lebens erworben hatte und begab sich dann, befreit von allem
Ballast, zurück auf die Initiationsinsel, dorthin, wo alles angefangen hatte, zu
dem Punkt, wo er das Syrtenreich zum allererstenmal betreten hatte. Hier sollte
sich der Kreis schließen, hier war der Anfang und das Ende, der Beginn und der
Schluss der Geschichte dieses Charakters. Ein letztes Mal ließ er den Blick in
die Runde schweifen, sah das saftige Gras, die herrlichen Laubbäume, die
geschwungenen Bögen der syrtischen Achitektur, den weißen Marmorstein, die
wunderbare Weite des Himmels - dann war er soweit. Er leitete die letzte, die
unumkehrbare Prozedur ein, nach deren Vollendung eine Rückkehr hierher nicht
mehr möglich sein würde. Doch während die Welt um ihn herum nach und nach
verblasste, blieb das Bild seiner Liebsten unverändert klar in seinem Geist
bestehen: Sangri.
Zwei Wochen später erschien ein Neuankömmling im Hafen von Skolheim. Alles hier
war neu für ihn, fremd und ungewohnt. Er begann mit seiner ersten Aufgabe,
arbeitete hart und zielstrebig, denn das Bild einer wunderschönen Barbarin, das
er ständig im Geiste vor sich sah, trieb ihn an. Ihretwegen war er hier,
ihretwegen nahm er all die Mühsal auf sich. Er musste nur rasch an Stärke und
Geschick zulegen, um in ihren Augen für würdig befunden zu werden, sich in ihrer
Nähe aufhalten zu dürfen. Und finden, finden musste er sie auch noch...
The Show must go on! Ich bin noch nicht tot, und unsere Geschichte wird weiter
gehen!
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Den Speer schützend vor sich haltend, stach sie auf den nächsten Feind ein.
Der halb tote Bote, der an der alsischen Lebenssäule die Nachricht eines
syrtischen Angriffs auf unsere Aggersborg Festung überbracht hatte, war noch
sehr jung gewesen. Selbst sie hatte eine grössere Stärke als er, und das mochte
was heissen. Doch die Nachricht war eindeutig, und sogleich wurden die Pferde
gesattelt.
Am Fort angekommen waren die Waldbewohner bereits kräftig am Einreissen des
Tores zu gange. Schnell stiegen sie, eine kleine Schar Mitkämpfer und unsere
kleine Heldin, von ihren Pferden ab und bezogen Angriffspositionen. Schwer
gerüstet stürmten die Alsen dann an, und ein wildes Gefecht entbrannte.
Sie schlug einmal wild um sich, was mehreren Feinden leichte und mittlere
Schnittverletzungen zufügte. Neben ihr metzelte sich ein Ritter mit seiner Axt
durch Fleisch und Knochen der Feinde. Seine Rüstung vermochte jedem Pfeil und
jedem Schwert stand zu halten, doch auch ihm sah man die Erschöpfung an.
Kaum zehn Minuten später war der Kampf vorbei. Die Tore von Aggersborg waren
wieder fest verschlossen und repariert, und die Feinde lagen tot oder kurz davor
am Fuße unserer schönen Festung.
Sangri ging hinein, die Treppen hinauf bis zum höchsten Turm, um sich auszuruhen
und gleichzeitig einen guten Überblick über die Umgebung zu haben. Drei Wochen
war es nun her, seit sie in dem Schädel des Drachen von einem lustig
dreinblickenden Zwerg mit blauem Bart und Haar aufgeweckt wurde. Lachend hatte
er sie durchgeschüttelt damit sich wach wurde. Sie hatte gespürt das sie etwas
in der Hand hielt. Als sie sie geöffnet hatte, blieb ihr kurz der Atem weg, als
sie sah was sich darin befand.
Habt ihr einen Jägersmann gesehen? Es ist ein Syrte, ungefähr so gross und...
Ja haben wir. Ein wahrer Feigling sag ich Dir. Er schoß einen von uns an, als
wir gerade nach Samal ritten. Als er sah wie viele wir waren verließ ihn wohl
der Mut und er ließ sich töten. Da drüben liegt er.
Ein Blick in die gezeigte Richtung hatte ihre Augen weiten lassen, als sie
diesen wunderschönen Mann mit den feinen Zügen blutend im Sand liegen sah.
ER IST KEIN FEIGLING! hatte sie den Zwerg angeschriehen. Wenn er wirklich
kampflos starb, dann doch nur damit ihr auf mich aufmerksam wurdet und ich nicht
durch den Streich einer ignesischen Klinge mein Leben aushauche. Wage es ja nie
wieder schlecht über ihn zu reden!
Hoo, ruhig junge Dame. Was auch immer er bezwecken wollte, wir werden es nie
erfahren. Und jetzt rufe Dein Pferd, wir können jeden starken Arm bei den
dunkelhäutigen Spitzohren gebrauchen.
Ohne sich noch einmal umzudrehen, war der Zwerg wieder auf sein Pony gestiegen
und den anderen nachgeritten. Sangri hingegen stapfte langsam zu Simplex'
Leiche, die Brosche mit beiden Händen an ihr Herz gedrückt. Sanft hatte sie sein
Gesicht gestreichelt. Selbst im Tot verlor es nichts seiner Schönheit. Sie hatte
genau gewusst, das er sich nur für sie geopfert hatte, damit sie nicht in
Feindeshände fiel und ihre Reichsgenossen sie fanden, sobald sie ihn
abgeschlachtet hatten. Es hatte sie tief verletzt, ihn so zugerichtet zu sehen.
Mehrere klaffende Wunden hatten seinen stolzen Körper gezeichnet.
Seit diesem Tag hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Sie trug mittlerweile
einen Umhang aus fester Wolle, vorne zusammengeschnürt mit dieser wunderbar
gearbeiteten Brosche, die für sich weitaus mehr Wert hatte als den Glanz des
Edelsteins oder die magische Kraft, die in ihr ruhte. Die Kälte vermochte ihr
nichts anzuhaben, egal wie leicht bekleidet sie herum lief. Dennoch war dieses
Schmuckstück Grund genug.
Viele hatten sie gefragt, ob sie diese Brosche verkauft. Sie kannte den
materiellen Wert der Brosche nicht, aber nach dem was ihr bereits geboten wurde,
scheinen selbst Könige und Imperatoren hinter solchem Schmuck her zu sein.
Dennoch würde sie dieses Geschenk niemals in andere Hände geben, außer die
seinen, wenn er sie zurück haben wollte.
Erschöpft lehnte sie sich leicht über die Zinne des Turms und begutachtete das
Schlachtfeld vorm Tor. In den letzten drei Wochen war sie erfahrener geworden,
abgehärteter. Das Grauen des Krieges machte ihr nun weitaus weniger aus als bis
vor ein paar Wochen noch. Sie lernte, das es an der Tagesordnung war, Feinde zu
besiegen. Es ist eine Frage der Einstellung pflegte sie zu sagen, wenn es mal
angesprochen wurde. Ich weiß, das durch meinen Einsatz auf dem Schlachtfeld
andere ruhig schlafen können. Ich weiß, das es einer guten Sache dient, wenn ich
Wüsten- oder Waldbewohner umbringe. Der Verteidigung unserer Kinder, Alten und
Kampfunfähigen. Wir tun genau das, was auch die anderen Völker tun. Sie haben
ähnliche, oder sogar gleiche Motive. Dass macht das Ganze zwar nicht schöner,
aber erträglicher.
Verträumt sah sie die Körper der Besiegten. Es gefiel ihr dabei zuzusehen, wie
sie sich in einem hellen Licht anfingen auzulösen. Das war der Zeitpunkt, an
denen die Körper und Seelen der Verstorbenen zurück an die Lebenssäulen der
Heimatgebiete gingen. Ihr gefiel vor allem der Gedanke, das scheinbar jede Seele
dieser Welt, egal wie sehr sie körperlich zugerichtet wird, egal ob durch
Schwerter, Pfeile oder magischem Feuer, sie nicht zu sterben vermochte. Und das
war ein tröstender Gedanke. Sie brauchte sich dadurch keine Vorwürfe machen,
wenn sie gegen jene kämpfte.
Mhh? Ein Blick nach unten liess sie einen Bogen erblicken, der so in der Form
eigentlich nur einer Person gehörte. Da die Seele mitsamt des Bogens bereits am
verblassen war, konnte sie es aber nicht genau untersuchen. Achwas. Warum
sollte Simplex seinen Bogen verschenken? Er braucht ihn doch selber, um in
dieser Welt zu bestehen.
Am darauf folgenden Abend beschloss sie, mal wieder nach Syrtis zu reisen. Mit
etwas Glück traf sie dabei sogar ihren Angebeteten, dachte die lächelnd.
Als sie über die Brücke von Trelleborg nach Algaros lief, kam ihr ein Syrte auf
einem Pferd entgegen. Er erblickte sie zwar, schien aber kaum Notiz von ihr zu
nehmen, denn er ritt in vollem Galopp weiter und wollte einfach vorbei.
Irgendetwas kam ihr seltsam vor... der Mantel! War das nicht Simplex' gutes
Stück?
Hiaaaarg! mit diesem Schrei streckte sie den Speer dem Pferd in den weg, so
das es strauchelte und seinen Reiter abwarf. Noch während es reißaus nahm,
rannte Sangri zu dem syrtischen Bogenschützen, setzte ihren Fuss auf seine Brust
und platzierte den Speer an seine Kehle.
Rede, Syrte, oder ich schwöre Dir es wird eine Zeit der Qualen auf dich
zukommen, ehe Du im Licht aufgehst! Welchem Manne hast Du diesen Mantel
gestohlen? Von der Schärfe ihrer eigenen Stimme überrascht, glaubte sie kaum in
welcher Rage sie gerade war.
Du... Du sprichst unsere Sprache? Sangri holte aus und verpasste ihm mit der
flachen Hand einen Schlag, der ihn zur Seite rollen liess.
Beantworte gefälligst meine Frage! Blind vor Wut war sie nicht mehr Frau ihrer
Sinne.
Ich habe ihn geschenkt bekommen. Vor einigen Wochen verteilte einer der
Unsrigen seine gesamte Habe. Er sagte, er würde nun eine neue Reise beginnen,
denn die in Syrtis hatte ihr Ende gefunden. Der Name dieses Mannes war Simplex.
Fassungslos schaute sie gedankenverloren in das Gesicht des Syrten. Fast war es
ihr, als nahm dieser die Züge von ihrem Geliebten an. Du lügst doch... sagte
sie nun milder.
Nein, Ma'am, es ist die Wahrheit. Wollt ihr mich nun gehen lassen? Ich werde
gebraucht von meinen Landsmännern.
Ohne einen Ton rammte unsere tapfere Barbarin ihren Speer in das Herz des
Feindes. Er hatte noch etwas sagen wollen, doch es kamen nur noch kehlige
Gurgellaute von ihm.
Das kann nicht sein, das ist nicht wahr. Warum sollte er dies tun? Er hat
unsere Welt verlassen, mich? Wieder einmal kam ihre gebrechliche Seite ans
Tageslicht, als sie sich nun an die Brückenmauer setzte. Der Schock über das
Gehörte war groß, nicht mal die Tränen wollten ihr dazu kommen.
Nach einigen Minuten stand die Alsin wieder auf. Sie hatte eine frostige Miene,
und in ihrem Gesicht waren keinerlei Emotionen zu erkennen.
Morgen früh wird eine rote Sonne aufgehen, denn heute Nacht werde ich viel Blut
vergießen. Das Blut von Feinden.
Das Gefühl, allein gelassen worden zu sein bereitete ihr seelische Schmerzen.
Von einer Person mit soviel Bezug in dieser Welt verlassen zu werden konnte sie
nicht verkraften. Wut und Hass sollten nun anstelle der Gebrechlichkeit treten,
und erst viel später sollte sie erkennen, wie sehr sie sich hatte davon blenden
lassen...
So! Das war die dritte Quest, die er für heute zu Ende bringen konnte. Erschöpft
setzte er sich auf einen großen Stein im Wald, um sich auszuruhen. Noch immer
war er in dieser Umgebung nicht recht heimisch geworden, er vermisste das
saftige Grün der syrtischen Wiesen und Wälder, die Wärme der Sonne. Die rauhen
Tannen, das blendende Weiß des Schnees, die Kälte: ja, es hatte durchaus seinen
Reiz; aber in der Tiefe seines Herzens sehnte er sich zurück in die Wärme seiner
alten Heimat. "Auf geht's, noch ein paar Werwölfe schießen", sagte er zu sich
selbst, "du bist jetzt hier Junge, also mach das Beste draus." Immer noch war es
ihm nicht gelungen, Sangri zu finden; alle die er fragte sagten ihm - wenn sie
sie überhaupt kannten - dass sie sich meistens draußen in der Kriegszone
aufhielte. Also arbeitete er verbissen weiter, um endlich selbst dorthin gehen
zu können - und um vielleicht auch mal wieder nach Syrtis reinzukommen und die
alten Stätten dort zu wiederzusehen. Er hatte sagen hören, dass draußen Schützen
gebraucht würden, und so hatte er sich für diesen Zweig der Ausbildung
entschieden. Seite an Seite mit ihr wollte er kämpfen und sei's auch gegen seine
alten Freunde - er war jetzt Alse und würde seine Pflicht hier gewissenhaft
erfüllen, das war er seinen neuen Reichsgenossen einfach schuldig. Denn
Kameradschaft, Miteinander und gegenseitige Rücksichtnahme hatte er auch hier
schon oft erfahren dürfen.
"Was ziehst du denn wieder für ein Gesicht? Nicht so faul rumhocken! Komm, lass
uns einen Wettkampf machen: wer zuerst fünf Werwölfe erlegt!"
Die zierliche Whiskey hatte sich ihm unsichtbar genähert. Das tat sie oft, nur
um ihm dann einen ordentlichen Schrecken einjagen zu können, wenn sie sich ihm
plötzlich zeigte. Lachend tanzte sie um ihn herum. Wenn sie in seiner Nähe war
wurde ihm warm ums Herz. Obwohl sie so ganz anders war als Sangri, viel
feingliedriger und zarter, fühlte er sich doch irgendwie durch sie an Sangri
erinnert. War es ihre Art mit ihm zu sprechen? War es ihre Unbekümmertheit? "Ach
du! Ich mach' aber nur mit, wenn du mir deinen Bären gibst." Sie war ihm ein
gutes Stück in der Ausbildung voraus, hatte den Jägerzweig gewählt, und er sah,
dass sie ihre Sache sehr gut machte. Könnte er sich doch nur auch wieder ein
eigenes Tier zähmen!
Seltsamerweise hatte er ihr die Frage nach Sangri noch nie gestellt. "Kennst du
eigentlich Sangri?", fragte er sie plötzlich. "Sangri? Wie kommst du jetzt auf
die?" Sie lächelte verschmitzt. "Bin ich dir nicht stark genug? Ich gewinn'
gegen dich ja sogar wenn ich mir einen Arm auf den Rücken binde! Da, den Bären
kannst du auch ruhig haben." "Das werden wir ja sehen!" Unvermittelt sprang er
auf, packte ihren Arm und drehte ihr ihn auf den Rücken, dass sein Gesicht ganz
nah vor dem ihren war. "Und was jetzt, Meisterin Oberschlau?" Sie versuchte sich
zu befreien, aber sein Griff war fest. "Hahaha! - Aber große Sprüche schwingen!"
Er ließ sie los. Mit geröteten Wangen blieb sie vor ihm stehen und drehte den
Kopf leicht verlegen zur Seite. Diese Geste gab ihm einen Stich ins Herz. "Weißt
du wo sie ist?" Ihre Miene verdüsterte sich; sie wandte sich von ihm ab. "Ach
lass mich doch in Ruhe! Sie ist draußen, sie kämpft und sie leidet." "Was? Du
weißt wo sie ist, du kennst sie? Sie leidet? Warum denn um Gottes Willen! -
Whiskey, bleib doch hier!" "Muss gehen, andermal vielleicht wieder..."
"Whiskey!" Sie rannte vor ihm davon. Als sie sah, dass er versuchte ihr zu
folgen, verschmolz sie wieder mit der Umgebung, so dass sie für ihn unsichtbar
wurde. Kopfschüttelnd blieb er zurück. "Whiskey" murmelte er vor sich hin. Mit
einem Mal spürte er wieder die Kälte des alsischen Klimas. Er wurde nicht schlau
aus der kleinen Jägerin, aber seit sie ihn soeben verlassen hatte, merkte er,
dass ihm etwas fehlte...
"Idiot!" brummelte Whiskey vor sich hin. "Warum interessiert ihn Sangri? Merkt
er denn nicht, wie sehr ich ihn mag? Ich versuche um seine Aufmerksamkeit zu
werben, doch ich wusste die ganze Zeit das er jemand anderem im Sinn hat. Nun
weiß ich wenigstens, wen..."
Obgleich Sangri, Whiskey und Wodka die selbe Seele hatten, teilten die
zugehörigen Körper keine langfristigen Erinnerungen miteinander. So war es
Whiskey in der Nacht ihres ersten Treffens zwar möglich, sich an ihn zu
erinnern, langfristig jedoch vergaß sie die Gegebenheiten darum, wenn sie die
Erinnerung nicht regelmäßig auffrischte.
Durch die dunkle Phase, die Sangri die Barbarin gerade durchmachte, war es ihr
unmöglich die Erinnerungen zu synchronisieren. So wusste Whiskey nichts von
ihrer barbarischen Hälfte und konnte nur neidisch auf die Frau sein, die diesen
jungen Mann scheinbar so die Sinne raubte.
"Ach was solls, ich werde weitere Erfahrung sammeln, um weiter aufzusteigen. Ich
darf meine Ausbildung nicht vernachlässigen, schon gar nicht für einen Mann!"
Andernorts, etwas später, war wieder einmal Schlachtenlärm zu hören.
"Sangri, da vorne" Gary zeigte in die Richtung einer Baumgruppe. "Wenn wir
schnell sind, erwischen wir sie, ehe sie wissen, was da über sie kommt."
Gary war in den letzten 2 Tagen ein treuer Weggefährte Sangri's geworden.
Obgleich die Kommunikation eher einseitig war, da Sangri nie viel sprach, waren
die beiden gut abgestimmt und machten so seit diesen 2 Tagen die feindlichen
Gebiete unsicher. Der junge Magier war noch etwas unsicher auf den Beinen;
vermutlich kam ihm Sangri dahingehend sehr gelegen. Sie gab ihm Ruhe, Kraft und
Selbstbeherrschung. Gerne würde er mehr über sie erfahren, doch außerhalb des
Kampfes saßen sie meist nur um ein Feuer um sich auszuruhen, und Gary sprach
ununterbrochen von seinem kompliziertem Studium über die Hexenmagie, während sie
nur geistesabwesend in das Feuer oder den Himmel schaute.
"Gehen wir." kam es lediglich von ihr, und sie setze sich in Bewegung, rannte
auf die 2 Syrten zu. Der junge Magier gab sich seiner arkanen Künste hin und
sprach einen Efeu-Zauber auf den feindlichen Krieger aus, wandte sich dem
feindlichen Magier zu und fror ihn ein. Außer stande sich zu bewegen, sprang
Sangri kurz vor dem Krieger in die Luft und stach ihm den blauen Speer in die
Seite.
"Pass auf!" Blitzartig machte sie einen Satz zur Seite; gerade rechtzeitig, um
Gary's Feuerball auszuweichen, der weit mehr als nur die Kleidung des syrtischen
Kriegers in Brand steckte. Schreiend wedelte der Syrte mit den armen und
versuchte das magische Feuer zu löschen, doch es half nichts.
Gary kam heran. "Los, gib ihm den Gnadenstoß! Er leidet unnötig!"
"Nein. Soll er brennen und leiden." Kam es fröstelnd von der stolzen Barbarin.
"Manchmal bist Du wirklich ein Monster" mit diesen Worten voller Abscheu
beschwor der Hexer einen Blitz, der den feindlichen Krieger tötete. In der
Zwischenzeit war der Gefrierzauber abgeklungen und die kleine Magierin nahm die
Beine in die Hand. Sangri stemmte ihren Speer über ihren Kopf nach hinten,
wollte ihn auf die Beschwörerin werfen. Doch Gary hielt ihren Arm fest: "Das
kann nicht Dein Ernst sein. Du willst ein wehrloses Lebewesen hinterrücks töten?
Sangri, wach doch endlich auf!"
Sie entledigte sich seines Armes, holte aus und warf den Speer, doch die
Magierin war schon viel zu weit weg und entkam schließlich. Wortlos nahm die
kalte Barbarin ihren Speer und wollte bereits weiter gehen.
"Sangri! So warte doch." Gary schloss zu ihr auf und stellte sich vor sie. Als
sie sich erneut losreißen wollte holte er aus und feuerte ihr eine mit der
flachen Hand ins Gesicht. Da er nicht besonders stark war tat es nicht sehr weh,
dennoch reichte es, um kurz ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
"Es kann so nicht weiter gehen. Du bist eine gute Jagdgefährtin, und unsere
Kämpfe enden meistens siegreich. Aber Du darfst Deine Menschlichkeit nicht
verlieren! Hast Du denn keinerlei Ideale? Keine Prinzipien, nach denen Du
lebst?"
Die sonst so emotionslose Kriegerin schloss die Augen und senkte nun, die Wange
mit der Hand reibend, den Kopf. Das erste mal sah Gary Gefühle in ihrer Mimik,
aber es war nur Verbitterung, Traurigkeit und Schmerz, was er herauslesen
konnte.
"Meine Ideologie ist mit einem geliebten Menschen gestorben. Ich bin nurmehr
eine Hülle meiner Selbst, erledige meine Hauptaufgabe, Feinde zu töten, und
warte darauf selbst irgendwann nicht mehr aufzuwachen."
Sangri saß allein am Feuer und starrte teilnahmslos in die flackernden Flammen.
Sie hatte heute den ganzen Tag gekämpft, war neunmal am Lebensaltar wieder
aufgewacht und hatte sich immer sofort erneut in die Schlacht gestürzt. Jetzt,
in der Dämmerung am späten Abend, war sie müde, zu müde um noch nachdenken zu
können - und genau dieser Zustand war es, den sie jeden Tag aufs Neue wieder
herbeiführen wollte. Mit einer Hand befühlte sie abwesend die Brosche auf ihrem
Umhang und ließ den magischen Strom, der in dieser Brosche vibrierte, in ihre
Fingerspitzen fließen. Gary näherte sich ihr vorsichtig. "Sangri?" Sie
antwortete nicht und starrte weiter ins Feuer. Er kam einen Schritt näher.
"Sangri?" Müde löste sie ihren Blick von den Flammen und schaute ihn an. "Ich
soll dir das hier geben." Er reichte ihr einen kleinen zusammengefalteten und
versiegelten Brief. Sie nahm ihn geistesabwesend an sich und steckte ihn in eine
Tasche ihrer Montur. "Willst du denn nicht lesen was drinsteht?" "Nicht jetzt,
Gary. Später vielleicht. Bin zu müde." Sie wandte sich wieder dem Feuer zu.
"Schien mir aber wichtig zu sein. Von einem Boten aus Syrtis..." "Na schön. Weil
du's bist les' ich's halt." Sie holte die Botschaft hervor, brach das Siegel und
faltete das Papier auseinander.
Lass dein Licht bitte scheinen und versteck es nicht!
S.
Sie faltete den Zettel wieder zusammen und steckte ihn zurück in ihre Montur.
Gary beobachtete sie interessiert. "Und?" "Was?" "Na was steht drin?" "Ach
irgendwas von einem Licht das ich scheinen lassen soll. Macht für mich keinen
Sinn - - - " Plötzlich kam Leben in ihre Mimik. "Gary!" Sie sah ihm mehrere
Sekunden lang ins Gesicht als könne sie dort die Antwort auf alle ihre Fragen
finden. Mit zitternden Händen kramte sie das Papier erneut heraus, faltete es
auseinander und las es nochmals Wort für Wort durch. Ja. Das konnte nur ER
geschrieben haben, kein anderer! Niemandem hatte sie von ihrer ersten Begegnung
in Montsognier erzählt! Aber das würde ja bedeuten, dass ... - sie sprang auf.
"Gary, er lebt! Er lebt Gary! Er lebt! Er ist am Leben! Er ist in dieser Welt!"
Sie nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände und gab ihm einen Kuss auf den Mund.
Dann ergriff sie ihren Speer und rannte in die Dämmerung hinaus, in Richtung zum
alten Friedhof. Der junge Magier blickte ihr fassungslos nach. So hatte er seine
Jagdgefährtin noch nie erlebt.
Gary hatte den gestrigen Tag in Montsognier zugebracht und war dort in einer
Taverne mit einem noch in Ausbildung befindlichen Bogenschützen ins Gespräch
gekommen. Irgendwie hatte dieser Schütze ihn dazu gebracht, von seinen
Erlebnissen mit Sangri zu erzählen. Gary war froh gewesen, endlich einen
aufmerksamen Zuhörer gefunden zu haben, redete sich seine Sorgen von der Seele
und hatte dabei gar nicht gemerkt, wie sein Gesprächspartner immer einsilbiger
geworden war. "Ich kann ihr glaube ich helfen", hatte der Schütze schließlich zu
ihm gesagt und ein paar Worte auf einen Zettel geschrieben, den er sorgfältig
zusammenfaltete und mit dem Wachs der auf dem Tisch stehenden Kerze versiegelte.
Gary hatte ihn ungläubig angesehen. "Wie soll das gehen?" "Bitte gib ihr diesen
Brief und sag ihr, dass er von einem Boten aus Syrtis gebracht worden sei. Mehr
musst du nicht tun." "Aber..." "Vertrau mir. Was kann schon geschehen?
Schlimmstenfalls lacht sie dir ins Gesicht." "Sie hat schon lange nicht mehr
gelacht, eigentlich noch nie seit ich sie kenne..." "Na also. Das wär doch
schonmal was." Der Schütze war aufgestanden. Auch Gary hatte sich erhoben. Der
Fremde packte ihn bei den Schultern. "Aber kein Wort von mir! Das musst du mir
versprechen! Versprich es!" "Ist ja gut! Ich verspreche es."
Aufgrund der Ausfälle gestern gibts die Geschichte leider erst heute :)
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Blindlings rannte sie in den finster werdenden Abend hinein. Am Friedhof hatten
sie sich schon einmal getroffen, sie war sich sicher, das seine Nachricht genau
das andeuten sollte.
Sangri freute sich, lachte, grinste über beide Ohren und ließ ihren wieder
aufgekeimten Glücksgefühlen freien Lauf.
...tarâg! Khazâd ai-mênu! Diesem Schrei folgte das Klirren von Waffen. Sangri
horchte auf, lokalisierte die Richtung des Lärmes und pirschte in diese Richtug.
Als die Laute bereits nah waren, sah sie was diesen Lärm verursachte. Ein junger
Zwerg setzte sich mit aller Gewalt einem schwer gepanzerten ignesischen Ritter
entgegen. Man sah sofort welcher Generationskonflikt sich hier abspielte, denn
während der Zwerg in arge Bedrängnis geriet, prallten seine Pfeile einfach von
der Rüstung des Dunkelelfen ab.
Sangri wusste das sie einem Zweikampf deutlich unterlegen wäre. Nichts desto
trotz konnte sie nicht mit ansehen wie ein Reichsgenosse einfach abgeschlachtet
wurde. Kurzerhand ließ sie ihre mentale Stärke zum Vorschein kommen und preschte
an den Ritter heran. Ihr heftiges Gebrüll ließ den Ritter kurz betäuben. Noch
während dies geschah, schrie sie dem Zwerg entgegen: Lauf du Dummkopf, Du hast
in der Kriegszone noch nichts zu suchen!
Seine Augen blickten sie erstaunt an, doch er nutzte die Gunst der Stunde um auf
Abstand zu gehen. Sangri versuchte den Ritter zu Boden zu treten, doch das
immense Gewicht dieser wandelnden Festung ließ das nicht zu. Der Ritter brüllte
dem Zwerg einschüchternde Worte entgegen, welche ihren Zweck nicht verfehlten.
Er schaute nach hinten, strauchelte und fiel hin. Mehr brauchte der Ritter
nicht. Mit einer brachialen Gewalt, die man dem Schwergewicht nicht zugetraut
hätte, stieß sich der Dunkelelf vom Boden ab und hieb mit seiner erhobenen Waffe
auf den sich gerade aufrichtenden Zwerg ein. Der gespaltende Schädel und das,
was darunter hervor kam, ließ Sangri kurz würgen und sie musste den Blick
abwenden. Angewidert drehte sie sich um und nahm die Beine in die Hand, was dem
Ritter wohl nicht gefiel. Dank der etwas leichteren Rüstung und ihren
trainierten Beinen war sie deutlich schneller als der Ritter, und so gelang ihr
die Flucht.
*
Langsam sollte er eigentlich kommen... Mehrere Stunden saß sie nun schon in
der Nähe des Friedhofes, aber kein Zeichen von Simplex. Die anfängliche Freude
über die Nachricht wich nun erneut der Entäuschung. Sie zog den Mantel enger um
sich und schaute zum Mond hinauf.
Er wird nicht kommen. flüsterte sie, als könne der Mond ihre Worte vernehmen.
Als eine weitere Stunde verging und sich der Mond bereits in Richtung Horizont
bewegte, stand sie auf und lief zurück zu ihrem Lager, in dem sie ein sitzender,
schlummernder Gary willkommen hieß. Sie drückte die stumpfe Seite ihres Speeres
gegen seine Brust und sagte in etwas lauterem Ton Du bist tot.
Mit einem Satz war er auf den Beinen, reckte die Hände gegen die 100 imaginären
Feinde und schaute sich ruckartig um. Als er nur die lächelnde Sangri sah wurde
ihm bewusst das sie ihn geleimt hatte und senkte errötet die Arme. Nicht nett
sagte er bockig. Aber halt, Du lächelst ja! Seine Augen weiteten sich und er
zeigte übertrieben gespielte Entsetzung über diese seltene Mimik der Barbarin.
Ach hör schon auf und reich mir etwas von dem Wasser.
Aber natürlich doch, oh du holde Schönheit mit dem allzu bezaubernden Lächeln.
Wenn du deine Feinde in Zukunft mit diesem Lächeln entgegen trittst werden sie
vor liebreiz allein schon ihre Waffen strecken - natürlich nur die Männer. Er
reichte ihr den Wasserschlauch. Die Frauen werden vor Zorn dafür doppelt so
stark kämpfen. blinzelte er ihr verschmitzt zu.
Red nur weiter so geschwafelt daher, dann wirst du gleich mein 'ich sing dem
Gary mit meinem Speer ein Schlaflied' Lächeln zu sehen bekommen. schmunzelte
sie über Garys Quacksalbergerede.
Nachdem sie einen kurzen Moment der Ruhe verstreichen ließen, fragte Gary dann
etwas ernster: Und wie lief es? Hast Du gefunden, was Du gesucht hattest?
Ja und nein. setzte sie nach kurzem Überlegen an. Den Menschen in seiner
menschlichen Hülle nicht. Die Seele und seine Werte, seine Ideale und das, was
er mir in den knapp 2 Mondzyklen vermitteln wollte, das habe ich heute Nacht
wieder gefunden. Und du sie schaute in seine Richtung und zwinkerte ihm zu
hast mir dabei erheblich geholfen.
Ihr glaubt nicht ehrlich das sich das jemand durchliest oder ?
Es gibt schon Leser die diese Story mit Interesse verfolgen, Thral. Diesen
Lesern muss ich nun leider sagen, dass es keine Fortsetzung von meiner Seite
mehr geben wird.
Diesem Entschluss von Simplex werde ich mich dementsprechend anschließen. Ich
könnte zwar versuchen die Geschichte weiter zu schreiben, da dies aber von
Anfang an eine Wechselgeschichte (bedeutet, das 2 Leute abwechselnd einen Teil
dem anderen schreiben) war, habe ich keine Muse, diese Geschichte alleine
fortzuführen. Es sei jedem frei gestellt diese Geschichte nach eigenem Gutdünken
weiter zu führen und sich selbst ein ende zu bilden.
Ich persönlich möchte mich bei den wenigen Leuten bedanken, die unsere
Geschichte gelesen haben und hoffe gleichzeitig, das wir mit den paar Sätzen so
manchen Geschichtsfreund für kurze Zeit unterhalten konnten.
Letzte grüße
Sangri
Ich persönlich finde es sehr schade das die beiden sich dazu entschlossen haben
die Geschichte nicht weiter zu führen. Habe sie jede Woche gespannt verfolgt,
war immer eine nette Abwechslung zu dem ganzen anderen Müll der hier sonst im
Forum gepostet wird ;)
Ich hab die Geschichte gelesen :O.
Und das mein ich Ernst.
Schreibt weiter ^^
Och, sehr schade.... gebt euch ein Ruck und macht bitte weiter..
Jaaa...bitte bitte bitte... hab auch immer sehnsüchtig auf ne weiterführung
gewartet o;
So wer geht heute für mich arbeiten? Für den gibts auch eine Privatgeschichte ^^
Aber in 13 Stunden ist ja eh Wochenende :)
Ein kleines Vorwort: die Nachricht, das Simplex nicht mehr weiter schreibt, kam
für mich genauso überraschend wie für euch, da er mir vorher keinerlei
Andeutungen zukommen ließ. Auf meine PN diesbezüglich antwortet er mir nun seit
einigen tagen auch nicht, darum habe ich nun einen Entschluss gefasst.
Da es nun wohl doch mehr Leute zu geben scheint, die diese Geschichte halbwegs
gespannt verfolgt haben, und ich ja eigentlich auch nicht aufhören wollte, sie
weiter zu schreiben, habe ich nun einige Nächte darüber geschlafen und mich dazu
entschieden, die Geschichte doch weiter zu schreiben. Ich muss mich an dieser
Stelle wirklich bei den Leuten bedanken, die sowohl hier im Thread wie auch mir
per PN ihr Bedauern über den spontanen Stop der Geschichte ausdrückten und
mich/uns darum baten, weiter zu schreiben (vor allem bei Leuten wie Mormado hat
es mich echt erstaunt :D).
Das Ganze wird folgender Maßen ablaufen. Es wird vermutlich keine wöchentlichen
Teiltexte mehr geben. Ich werde schreiben wie ich Lust, Laune und Zeit habe und
diese dementsprechend ohne Zeitverzögerung posten. Es kann dadurch passieren das
ein Text bereits 3 Tage nach dem letzten kommt, oder es auch mal 2 Wochen oder
mehr dauern kann bis der nächste Text erscheint.
Da die bisherige Geschichte gewisser Maßen auch relativ günstig aufhört, nämlich
mit einem Ende das eine Menge Spielraum für Fantasien offen hält, kann ich
komplett neu anfangen, ohne das es zu stark wie eine komplett neue Geschichte
aussieht. Bedeutet: mit einigen Überleitungen.
Zum Schluss bitte ich nun die kreativen Köpfe und eifrigen Leser unter euch um
Mithilfe beim weiter schreiben. Ich würde die Geschichte ganz gerne in meinem
jetzt bestehendem Schreibstil weiter führen, darum würde ich euch gerne bitten,
mir Ideen, Kreationen, Situationen, virtuelle Erlebnisse oder einfach nur eure
Gedanken per PN zu schreiben, auf das ich diese evtl bei einer Weiterführung der
Geschichte benutzen kann. Ideen die ich verwende werde ich natürlich namentlich
unter dem Text dann erwähnen, damit auch diese Leute für ihr mitwirken geehrt
werden.
Überlegt es euch, ich würde mich freuen wenn man es in dieser oder ähnlicher
Form weiter führen könnte.
Liebe Grüße, Sangri
Bei Leuten wie Mormado ? :o
Na Danke ^^
So und jetzt neuer Teil gogo :D :thumbup:
"Hey Mausi, schau Dir meine neue Errungenschaft an!" Gary lief eilig zu der
lässig am Montsognir Tor gelehnten Jägerin. "Schau, ein neuer Stab aus tiefrotem
Sappanholz. Das eigentlich interessante daran sind allerdings die Runen" er
zeigte auf ein paar Schriftzeichen, die der Länge nach in dem Stab gerizt worden
waren. "Diese hier wird meine geistige Rhetorik verbessern, auf das ich meine
Sprüche noch schneller aussprechen kann. Und diese hier bewirkt, das sich meine
mentale Kraft erweitert. Ist das nicht fabelhaft? Ach und der Stein hier" Gary
deutete auf den Türkis, der am oberen Ende des Stabes zwischen 3 kleinen
Haltestreben schwebte "verstärkt die Wirkung der ersten Rune. Wenn ich noch
weitere Artefakte sammle, brauch ich meine Sprüche bald nur noch denken um sie
zu wirken." grinste der junge Zauberer über beide Ohren.
"Na da ist Dir ja ein gelungener Kauf geglückt, Tiger." lächelte sie und freute
sich mit ihm.
Diese Kosenamen gaben sich die beiden nicht, weil sie eine körperliche Bindung
zueinander pflegten. Vielmehr hatte es den Zweck, auf ihre Art die anderen zu
veralbern, indem sie ihnen als vermeintliches Paar begegneten. Die
Tierbezeichnungen hatten sie als Pendant zu dem Wesen gemacht, als welche sie
sich selber sahen. So sah sich Whiskey als Jägerin einer Katze gleich,
wohingegen sich Gary als ein Löwe sah, der nicht nur durch körperliche Stärke,
sondern auch durch tiefgreifende magische Kraft glänzte. Aus diesen Tieren zogen
sie das Gegenstück als Kosenamen vor, und lachten sich insgeheim über die
verwunderten Blicke Anderer schlapp.
"Aber fällt dir nichts an mir auf?" fragte sie zuckersüß und brachte sich in
eine extravagante Pose.
"Hmmm... Hast du zugenommen?" kaum ausgesprochen, lachte er los, und sie schlug
beleidigt nach ihm. "Haha nein warte" er wischte sich eine Träne weg "Also,
diese Hose sehe ich heute das erste mal an Dir, und dieser Brustpanzer scheint
auch einige neue Konturen zu tragen, oder?"
"Richtig mein Lieber. Ebenfalls erstanden, wobei ich mir ihrer Wirkung noch
nicht ganz bewusst bin."
"Lass mich schauen..." Übertrieben nah betrachtete er die Runen ihrer Rüstung,
was sie leicht erröten ließ.
"Gary, bitte, was du da tust, ist anzüglich!" zischte sie zu ihm.
"Oh, natürlich, verzeih. Ich gebe nichts auf solche selbsternannten
ungeschriebenen Gepflogenheiten der Gemeinschaft. Jedenfalls, greife doch mal
den Lycan da vorne an." Sie tat wie ihr gehießen, erlegte die weiße Bestie und
schaute ihn fragend an. "Ist es Dir nicht aufgefallen? Schießt Du nicht
irgendwie schneller als sonst? Lassen sich die Pfeile nicht fließender auf die
Sehne legen?"
"Hoh, jetzt wo Du es sagst..." schnell erlegte sie noch eines der Biester und
nickte dann zustimmend "Du hast Recht mein Freund. Hey, endlich lohnt es sich
mal, dich zu kennen." feixte sie.
"Ja natürlich bin ich eine gelungene Partie!" schlug er mit ein. "Ich glaube
übrigens das diese Rüstung auch noch eine leichte Legierung hat, dadurch bist Du
unempfindlicher gegen die Waffen der Grobschlächter."
"Schau an. Dann herzlichen Dank für deinen fachmännischen Rat, ehrenwerter
Magus."
"Wie geht es ihr eigentlich?" fragte Gary kurze Zeit später in der Taverne, wo
sie sich beide einen warmen Met gönnten. "Sangri meine ich..."
Whiskeys Blick wurde verträumt, und es sah so aus als würde sie in weite Ferne
schauen. "Sie ist gegangen. So gut ihr die schlussendliche Erkenntnis in der
Nacht tat, kam sie nicht über den Verlust eines geliebten Menschen hinweg. Sie
trauerte, sie weinte, sie lachte und freute sich, oftmals alles zusammen. Nun
allerdings hat sie vor einigen Mondzyklen ihre Waffen gestreckt und ging einen
Weg, dem man nicht folgen kann. Sie wird nicht wiederkehren."
Gary senkte seine Augen "das ist.. bedauerlich. Sie war eine gute Weggefährtin.
Sie lehrte mich, mein Selbstvertrauen zu stärken, wenn auch eher passiv. Ich
werde sie vermissen..."
Whiskey legte ihre Hand auf seine und lächelte ihn traurig an. "Ich auch."
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So, das war quasi der Prolog zum Neuanfang der Geschichte. Sangri wird nur noch
in Erinnerungen vorkommen, Whiskey wird nun an die Stelle der Protagonistin
treten. Aber wie ist Gary von Sangri auf Whiskey gekommen? Tja, vielleicht steht
es in der nächsten Geschichte :whistling:
Schade,
grosse Ankündigung und nun... ?
Geht es Euch ebenso?
Ich habe die Geschichten mal gerne gelesen.
Gruss
Sindar
Nicht schlecht die Geschichte. Wird denn noch weiter daran gearbeitet? In einem
anderen Forum oder so vielleicht? Wäre schon cool (: Ein Herr der Ringe Fan der
gut schreibt, wenn das mal kein Schriftsteller von morgen ist d:
Erik
Wenigstens *Einer* der meine Meinung hier wohl noch teilt :-)
Wäre schon schön, wenn die Geschichte, wie eins angesagt auch weitergehen würde.
Gruss
Ich finde es auch sehr schade, daß die Geschichte nun doch nicht weitergeführt
wurde. Es wird zwar in dem Tread *Auf nen ' Humpen Bier* doch so einiges
geschrieben, nur ist es dort leider etwas durcheinander und unübersichtlich,
wenn auch der Eine oder Andere dem hier sehr nahe kommt.
Jedenfalls sieht man, das es doch so einige gäbe, die ihre Worte in schöne
Geschichten verpacken können.
Wer weiss, vielleicht geht die Story ja eines Tages weiter :-)
Ein neuer Tag brach an in Regnum. Angekündigt von einer zarten rosafarbenen
Morgenröte erschien die Sonne schließlich selbst am Horizont und erhob sich
langsam und majestätisch aus dem Meer. "Blut ist in der Nacht vergossen worden",
hätte Legolas bei diesem Anblick gesagt. Die Bewohner des Kontinents jedoch
hatten wichtigere Dinge zu tun als den Sonnenaufgang zu betrachten, denn es
herrschte Krieg zwischen den Völkern. Aber war es wirklich Krieg was hier vor
sich ging? Kein Bewohner dieser Welt war jemals wirklich gestorben. Eingespannt
in einen unendlichen Kreislauf von Siegen und Besiegtwerden gab es scheinbar
keinen endgültigen Tod. Zwar nannten sie es "sterben" wenn sie auf dem
Schlachtfeld liegenblieben - in Wirklichkeit jedoch vollzog sich nach dem "Tod"
lediglich eine Art Teleportation zu einem anderen Ort dieser Welt, von dem aus
das Leben weiterging: ein endloser Reigen von Untergehen und Auferstehen. Diesem
Kreislauf musste sich jeder anschließen, sobald er diese Welt einmal betreten
hatte.
Sie wollten es so haben. Sie hatten sich dieses Schicksal selbst gewählt.
Deshalb waren sie hier. Sie wollten kämpfen und siegen, und je öfter sie dies
tun konnten umso besser. Dies war ihr Lebensinhalt, der Zweck ihres Daseins: zu
triumphieren. Möglichst stark zu werden. Möglichst oft das Gefühl des Siegens
auszukosten. Dafür arbeiteten sie viele Stunden, dafür trainierten sie ihre
Fertigkeiten, verfeinerten die Abfolge ihrer Hiebe und Zaubersprüche, um die
äußerste Effizienz zu erreichen, rüsteten sich mit den besten verfügbaren Waffen
und Amuletten aus - nur um am Schluss, wenn es zum Showdown kam, wenn es galt im
Kampf zu bestehen, nur um dann besser zu sein als der andere, um stehenzubleiben
wo der andere fiel, um Sieger zu sein wo der andere verlor. Das war das
eigentliche Ziel auf das sie hinarbeiteten. Und wer sich diesem Ziel erkennbar
nicht unterordnete, wurde als "Lappen" bezeichnet, als "Noob", als
"Nichtskönner", wurde mit abfälligen Bemerkungen bedacht; umgekehrt konnte es
das eigene Ego nicht hinnehmen, wenn es wiederholt mit einer Niederlage
konfrontiert wurde - die Gegner waren dann wahlweise "Cheater" oder "Buguser".
Oder die ganze Welt als solche wurde verantwortlich gemacht für das wiederholte
eigene Scheitern: die Schöpfer dieser Welt waren Schuld, weil diese Welt
offensichtlich nicht so funktionierte, wie sie es ihrer Meinung nach eigentlich
tun sollte. Viele der Bewohner, die diesen Kreislauf nicht mehr aushalten
konnten, verließen die Welt, um nie mehr zurückzukehren, denn sie sahen keine
Hoffnung mehr.
Aber waren sie wirklich alle so, die Dagebliebenen? Achtete jeder hier nur auf
seinen eigenen Vorteil, sah egoistisch nur auf sein eigenes Fortkommen? - Nein.
Es gab auch Zusammenhalt, Kameradschaft, Freundschaft. Es gab auch das
Zurückstellen der eigenen Interessen zugunsten eines höheren Zieles. Man konnte
in dieser Welt tatsächlich lernen, worauf es wirklich ankam: Gegenseitige
Achtung. Respekt voreinander. Respekt vor dem Gegner. Freundschaft. Zuneigung.
Liebe. Diese Grundwerte waren überall vorhanden, wo Menschen zusammenkamen, oft
waren sie nur verschüttet. Aber sie würden immer wieder hervorbrechen, wie
hoffnungslos es auch erscheinen mochte, die Menschen konnten schließlich nicht
auf Dauer gegen ihre wahre Natur handeln. In Wahrheit waren diese Werte niemals
weggewesen.
So stieg denn die Sonne auf in den weiten blauen Himmel über Regnum, ein neuer
Tag war angebrochen, das Leben nahm seinen Fortgang. Schlösser wurden erobert
und gingen verloren, Drachen beschworen, Juwelen geraubt, Kämpfe gewonnen, Tode
gestorben. Und manchmal regnete es auch.
Er saß in Gedanken versunken auf der Zinne des Trelleborg Forts. Die kühle
Herbstluft tat ihm wohl, er genoss den würzigen Duft der Tannen. So war er nun
also hier gelandet, in der Kriegszone, auf diesem Außenposten des alsischen
Reiches. Wo er früher als Syrte angegriffen hatte, galt es nun das Fort gegen
syrtische Eindringlinge zu verteidigen; war er früher Verteidiger des Algaros
Forts gegen alsische Eindringlinge gewesen, griff er genau dieses Fort nun
selbst als Alse an.
Ein harter Schlag traf ihn plötzlich so stark auf die Schulter, dass er fast
über die Zinne hinabgefallen wäre, dazu erklang ein bärbeißiges Lachen: "Hahaha
Sharp! Wenn ich dich nicht schon oft im Kampf gegen die Grünen gesehen hätte,
würde ich fast glauben, dass du einer von ihnen bist! Da! Trink! Bevor du noch
ganz einschläfst - da draußen braut sich nämlich was zusammen." Der Zwerg
streckte ihm einen Schlauch mit Wasser hin. Er nahm einen kräftigen Schluck:
"Danke Grom. Nichts für ungut." "Schon recht. Aber halt deine Augen offen, ich
spür's in allen Knochen, die Grünen wollen's heute mal wieder wissen. Doch die
Suppe werden wir ihnen tüchtig versalzen, was Sharp?" "Logisch! Nicht mit uns!"
Grom, Ritter und narbenbedeckter Anführer, ging wieder nach unten, um die Reihen
der Verteidiger auf den bevorstehenden Kampf einzustimmen. "Wenn man solche
Kameraden zur Seite hat, kann eigentlich nichts schiefgehen", dachte er, während
er ihm nachblickte - und verfiel dann doch wieder in Nachdenken. Eigentlich
hatte sich so viel gar nicht verändert, seit er von Syrtis ins Alsenreich
gewechselt war. Gut, er war jetzt Schütze, kein Jäger mehr, was sich darin
bemerkbar machte, dass seine Pfeile jetzt einen durchschlagenden Schaden
verursachten, von dem er als Jäger früher nur hätte träumen könnnen. Und sie
reichten weit. Prüfend wog er den schweren Langbogen in der Hand. "Andererseits
kann man sich als Jäger freier bewegen", dachte er, "und man rennt nicht blind
durch die Gegend sondern weiß, wo man hingehen muss".
Während er so vor sich hingrübelte, spürte er an seinem Ohr ein leichtes
Kribbeln, wie von einem Insekt, das er mit einer automatischen Handbewegung
verscheuchte. Dann war es wieder da und wieder wedelte er mit der Hand durch die
Luft. Doch das vermeintliche Insekt war hartnäckig. Immer wenn er in seine
Gedankenwelt zurückzusinken drohte, störte ihn das Kribbeln am Ohr, so dass er
schließlich wütend aufsprang und sich das Ohr rieb. Da hörte er hinter sich ein
leises Kichern. Whiskey! "Das ist NICHT witzig!" sagte er unwirsch und drehte
sich um, doch sein Zorn war sofort verraucht, als er die kleine Jägerin mit dem
Grashalm in der Hand vor sich stehen sah. Sie schaute ihn mit einem seltsamen
Ausdruck in den Augen an, als ob sie auf etwas warte. "Was ist?", fragte er. Sie
antwortete nicht und lächelte nur, dann kam sie noch einen Schritt auf ihn zu,
so dass sie jetzt ganz dicht vor ihm stand. "Das ist", sagte sie schließlich -
und küsste ihn plötzlich auf den Mund. "Shane! --" Im ersten Moment war er
völlig perplex, denn das hatte er ganz und gar nicht erwartet. Dann fühlte er,
wie ihm das Blut in den Kopf stieg und ihm heiß wurde, und er sah, wie ihr
Lächeln in ein breites Grinsen überging, während sie seine roten Backen und
roten Ohren betrachtete.
"Sharp! Whiskey! Achtung da oben!" Da schlug auch schon ein Pfeil krachend im
Mauerwerk neben ihnen ein. "Was ist denn los! Deckung nehmen! Ziel suchen!
Schussfertig machen! - Herrgott! Ihr seid doch keine Anfänger mehr denen man
alles vorsagen muss!" Der Angriff der Syrten hatte begonnen - und es waren nicht
wenige, die das Fort erstürmen wollten. In fiebernder Hast nahmen sie die
Kampfpostitionen ein, tausendmal geübte und automatisierte Handgriffe wurden
ausgeführt. Der erste Pfeil schwirrte von der Sehne - und gleichzeitig der von
Whiskey an seiner Seite. Zum Nachdenken blieb keine Zeit, jetzt war die Zeit des
Handelns, jetzt galt es. Seite an Seite standen sie auf der Zinne des Trelleborg
Forts und schickten Pfeil um Pfeil auf die Angreifer in die Tiefe nach unten.
"Au! Mein Arm!" Ihr Bogen war auf die Erde gefallen. Sofort war er bei ihr.
"Schlimm?" "Nur wenn ich lache!" antwortete sie. Mit der linken Hand rieb sie
über den rechten Arm, ihr Umhang war zur Seite gerutscht - und er sah eine
Brosche, die ihm seltsam bekannt vorkam. Ihre Augen blitzten, als sie den Bogen
wieder aufnahm und das nächste Ziel anvisierte. Und da wusste er es plötzlich.
Sie war es! Sie war der Grund warum er hierhergekommen war! Genau hier wollte er
sein, neben ihr, nirgendwo anders. Ihretwegen war er hier!
Und während die Schlacht um Trelleborg Fort ihren Fortgang nahm, während die
Syrten tapfer Angriffswelle um Angriffswelle gegen das Tor des Forts anrollen
ließen, und Grom, der in der Tiefe mit Donnerstimme die Verteidiger anführte,
die Angreifer ein- ums andere Mal zurückwarf, fühlte er, dass er nun angekommen
war, dass seine Suche ihr Ende gefunden hatte, hier, auf der Zinne, mit ihr und
an ihrer Seite.
ENDE